"Das Workbook in der pädagogischen Überwachung"

von Daniel K. 15.06.2022

„Dann bin ich wohl an der Reihe!“ dachte ich mir, als das Schreiben meiner Aufsichtsbehörde im Briefkasten lag. Ich würde schon sagen, dass ich sehr entspannt bin was Überwachungen angeht, aber nun sollte sich wohl etwas ändern. Mein zuständiger Sachbearbeiter teilte mir mit, dass neben der Formalüberwachung nun auch eine pädagogisch erweiterte Überwachung stattfinden würde. Das wunderte mich nicht, denn es wurde mir schon mehrfach in Weiterbildungen angekündigt.

Die pädagogisch erweiterte Überwachung

Die Spielregeln finden wir seit dem 01.01.2018 im § 51 Fahrlehrergesetz. Hier steht, dass die Überwachung auch die Beurteilung der fachlichen und pädagogischen Qualität der Fahrschulausbildung umfasst. Genau da liegt die Besonderheit, denn in der Fahrschülerausbildungsordnung gibt es klare Grundsätze die eingehalten werden müssen. Ich zeige dir mal einen kleinen Ausschnitt aus deinem Alltag:

 

Damit man den Qualitätskriterien entspricht müssen:
1. Die Inhalte sachlich richtig, anschaulich und verständlich vermittelt werden (§ 3 Fahrschüler-Ausbildungsordnung)
2. Der theoretische Unterricht und die praktische Fahrausbildung müssen systematisch und für den Fahrschüler nachvollziehbar aufgebaut sein (§ 3 Fahrschüler-Ausbildungsordnung)
3. Die Ausbildung soll das selbstverantwortliche Weiterlernen nach dem Erwerb der Fahrerlaubnis fördern. (§ 3 Fahrschüler-Ausbildungsordnung)
4. Der Fahrlehrer soll gegenüber dem Fahrschüler sachlich, aufgeschlossen und geduldig auftreten. (§ 3 Fahrschüler-Ausbildungsordnung)
5. Die Mitarbeit des Schülers ist insbesondere durch Fragen und Diskussionen anzustreben. (§ 3 Fahrschüler-Ausbildungsordnung)
6. Der Unterricht soll methodisch vielfältig sein. (§4 Fahrschüler-Ausbildungsordnung)
7. Die Unterrichtsmedien sollen zielgerichtet ausgewählt und eingesetzt werden. (§4 Fahrschüler-Ausbildungsordnung)
8. Zur Ergebnissicherung sind Lernkontrollen einzusetzen (§4 Fahrschüler-Ausbildungsordnung)
9. Der praktische Unterricht ist auf die theoretische Ausbildung zu beziehen und inhaltlich mit dieser zu verzahnen. (§5 Fahrschüler-Ausbildungsordnung)
10. Zum praktischen Unterricht gehören auch: a) die Unterweisung nach Absatz b) Anleitung und Hinweise vor, während und nach der Durchführung der Fahraufgaben c) sowie Nachbesprechung und Erörterung des jeweiligen Ausbildungsstandes. (§5 Fahrschüler-Ausbildungsordnung)
11. Der Fahrlehrer hat den jeweiligen Ausbildungsstand durch Aufzeichnungen zu dokumentieren. Diese sollen erkennen lassen, welche Inhalte behandelt wurden. (§5 Fahrschüler-Ausbildungsordnung)

 

Das ist das Fahrlehrer 1×1 unser tägliches Geschäft….das machen wir immer so….das ist bei uns vollkommen normal. Oder nicht?

Zurück in die Realität

Es wäre gelogen, wenn ich jetzt schreiben würde, dass ich öfters in Gesetz schaue. Das brauche ich nicht um meinen Job zu erfüllen. Ich bin mittlerweile 14 Jahre Fahrlehrer da kennt man sich aus…dachte ich. Versteh mich nicht falsch, alle oben genannten Kriterien erfülle ich….also fast und genau da liegt mein Problem. Ich habe keinerlei Nachweis darüber, dass ich es tue. Bei meinen Angestellten ist es noch schlimmer, da kontrolliere ich es kaum und wenn dann nur aufgrund schlechter Besteherquoten. Das hat mich verrückt gemacht! Wenn ich nicht schnell etwas ändere, dann mache ich mich angreifbar und das möchte ich nicht sein. Gleichzeitig muss ich wirtschaftlich arbeiten und Erfolge erzielen. Mein Team stellt keine Fahrschüler zur Prüfung vor, die keine Chance haben. Ich würde sogar sagen, dass wir einen guten Ruf haben. Aber eine Sache ist Mist und das ist die Qualitätskontrolle.

Mit hoher Motivation in die Diktatur und zur Unzufriedenheit

Am naheliegendsten war für mich jetzt zu kontrollieren ob alles so läuft wie es sein soll. Das Ergebnis war zwar nicht schlecht aber ernüchternd. Einfache Fragen wie: „Was für Inhalte hast du vor vier Fahrstunden mit deinem Fahrschüler behandelt?“ führten zu Schweißausbrüchen bei den Angestellten. Die Fahrlehreranwärter konnten dank des von mir vorgeschriebenen Berichtshefts antworten und die fertigen Fahrlehrer eher so:

 

„Ich habe viel zu tun, da habe ich keine Zeit dafür!“

 

„Bekomme ich die Zeit bezahlt?“

 

„Meine Schrift kann man nicht lesen!“

 

„Da habe ich keine Lust zu!“

 

„Das habe ich in den letzen 10 Jahren nicht gebraucht!“

 

Ich kann das Abwehrverhalten meiner Fahrlehrer verstehen, denn jetzt kommt „der Alte“ wieder mit einer schlauen Idee. Beim nächsten Fahrlehrertreffen bekam ich die Quittung für die Kontrollen, denn alle glaubten, dass ich das Vertrauen verloren hätte. Nachdem ich dann aber die Karten auf den Tisch legte und das Problem erklärte, wurde es still.

 

„Durch die Überwachung kommen ganz andere durch!“

 

war das letzte Aufbäumen vor der Veränderung. Wir legten gemeinsam fest, dass wir Sachen verändern die helfen und nicht belasten. Außerdem wollte mein Team mitentscheiden, denn am Ende würden sie falsche Entscheidungen ausbaden müssen.

Der Theorieunterricht

Ich benutze seit Anfang meiner Karriere eine Unterrichtssoftware des zweitgrößten Fahrschulverlags in Deutschland. Mit dieser Entscheidung habe ich meinen Angestellten eine bestimmte Vorgehensweise und Themeneinteilung diktiert. Nach einer gewissen Zeit, hatten die Fahrlehrer sich aber mit der Situation abgefunden und sich an das Produkt gewöhnt. Als ich mir die Unterrichte anschaute, wunderte ich mich, dass jeder den vorgegebenen Unterricht nahm. Nur die Fahrlehreranwärter brachten ihre eigene Note rein. Ich fragte, woran das liegen würde und die Antwort war eindeutig:

 

„Das mache ich schon immer so!“

 

„Computertechnik ist nicht mein Ding!“

 

Ich sah alles, sehr gute und auch ausbaubare Leistungen. Aber alle gaben sich Mühe.

Eigene Unterrichte müssen her! Ein Konzept muss her!

Alle Verlage geben einem mittlerweile die Möglichkeit, den Unterricht zu editieren. Das wussten die meisten Fahrlehrer aber nicht oder empfanden die Umstellung als zu anstrengend im Alltagstrott. Das änderten wir gemeinsam. Jetzt standen wir aber vor dem nächsten Problem, denn woher weiss der nächste Fahrlehrer wo der vorherige stehengeblieben ist?

Netzwerken bei der Weiterbildung

Durch einen Zufall, hatte ich vor Jahren einen anderen Fahrlehrer auf einer Weiterbildung kennengelernt und jetzt wiedergetroffen. Wir tauschten uns aus und ich erzählte von meiner Problematik. Dieser berichtete mir, dass er seit einiger Zeit ein Workbook nutzen würde. Er würde mir ein Exemplar mal zuschicken.

Okay, das soll es jetzt sein?

Ein paar Tage später bekam ich das Workbook der Fahrschulhelden in die Hände. Ich schaute es mir in Ruhe an und zeigte es auch meinen Kunden. Wer jetzt einen unglaublich Erfolgsgeschichte erwartet, wird hier herbe enttäuscht. Wie es nun einmal im Fahrschulleiter leben ist, musste ich krankheitsbedingt viel Arbeiten und lies das Workbook einfach in der Fahrschule liegen. Nach ein paar Tagen redete ich mit einem Ausbildungsfahrlehrer und einen Anwärter darüber, die es einfach mitnahmen. Die nächsten Wochen gingen ins Land und die Überwachung stand ins Haus.

Grad so mit dem Hintern über die Hürde!

Am Tag der Überwachung war ich natürlich vorbereitet. Die Aktenlage hatte ich die Wochen vorher kontrolliert und vielleicht auch gerade gezogen. Ein paar Kleinigkeiten wurden angesprochen, die aber eher eine Geschmacksache sind als wirklich ein Problem. Puh! Die erste Hürde geschafft. Wie angekündigt stand nun bei zwei Fahrlehrern die pädagogische Überwachung in der Theorie und Praxis an. In beiden Fällen gab es Auffälligkeiten, die in den Prüfungsbericht kommen sollten. Ein Fahrlehrer unterrichtete keine vollen 90 Minuten und wirkte auf den Prüfer sehr nervös. Der zweite Fahrlehrer wurde in der Praxis für die fehlende Nachbesprechung kritisiert. Noch vor Ort, teilte mir der Überwacher mit, dass er Mängel festgestellt habe, diese wahrscheinlich kaum Konsequenzen nach sich tragen werden und er mein Unternehmen für gut geführt hält. Das freute mich sehr und ich bedankte mich auch bei meinen Angestellten.

Prüfungsbericht und die Bitte um Stellungnahme

Vier Wochen nach der Überwachung kam der Prüfbericht mit der Bitte um Stellungnahme. Ich wurde gefragt, wie ich in Zukunft vorhabe die aufgefallenen Mängel zu vermeiden. Ich musste mich rechtfertigen und wusste nun, dass hier in Zukunft der Schwerpunkt der Überwachung liegen wird.

Änderungen

In den nächsten Wochen setzte ich mich mit dem Workbook auseinander und redete mit meinem Bekannten und dann auch mit den Fahrschulhelden. Ich fing an das Konzept zu verstehen und setzte das Buch erstmals komplett ein. Grade in den Ferienkursen zeigte sich die Stärke des Buchs und die Fahrschüler nahmen es ohne Murren an. Nach ein paar Erklärungen und internen Weiterbildungen nutzen wir das „Buch“ jetzt komplett. Wir haben es individualisieren lassen und haben ein paar Inhalte geändert. Die Fahrlehrer haben jetzt ihre Aufzeichnungen und am Ende der Ausbildung ist der Theorieteil komplett ausgefüllt. Manche Fahrlehrer geben sogar Hausaufgaben und die Schüler machen sie. Vor ein paar Monaten noch unvorstellbar. Bei mir funktioniert es. Jetzt muss ich noch eine Uhr aufhängen und die nächste Überwachung kann kommen.